Dienstag, 28. Juni 2011

Tikal – Kilometer 37170

Am frühen Morgen kurz nach vier treffen wir unseren Natur- und Kulturführer sowie zwei weitere junge Touristen aus Kanada am Infopoint vor dem Eingang zum Nationalpark Tikal. Mit unseren Stirnleuchten und Taschenlampen bewaffnet kämpfen wir uns durch die Finsternis der späten Nacht. Mit noch fast verschlossenen Augen lauschen wir den Geschichten unsere Guides. Es scheint, als habe er den Aufschwung sowie den Untergang der Maya selbst miterlebt, so genau kennt er die Details. Es gibt kaum eine Minute, so scheint es, in der er nicht redet… Wir sind mit den wilden Stories am frühen Morgen noch etwas überfordert und verwenden unsere Sinne darauf, wilde Tiere im Dickicht des Dschungels zu erspähen. Auf den ersten hundert Metern können wir bereits kleine Frösche und dicke Kröten auf dem feuchten Waldboden ausmachen, die in der relativen Kühle der endenden Nacht noch auf Futtersuche unterwegs sind. Den Blick auf den Boden gerichtet, stolpern wir durch das Dunkel des Waldes, als plötzlich ein umgestürzter Baum den Weg versperrt. Da wir die ersten sind, die heute Morgen die Wege des Parks unsicher machen, gab es noch keine Aufräumaktionen nach dem starken Sturm am Vorabend. Wir steigen zwischen Ästen hindurch, klettern über den Stamm des Baumes und folgen dann weiter dem finsteren Weg. Als wir unsere Taschenlampen vom Weg mal nach rechts oder links schwenken, können wir bereits die ersten Ruinen von kleinen Pyramiden im Unterholz des Dschungels ausmachen.

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Nach einer knappen halben Stunde erreichen wir Tempel IV (Tempel der doppelköpfigen Schlange), den mit siebzig Metern höchsten Tempel der Anlage und zweithöchsten Maya-Tempel überhaupt. Über eine für Besucher errichtete Holztreppe erklimmen wir die fast zweihundert Stufen bis zur obersten Plattform. Es dämmert bereits und wir können im Nebel die Baumkronen des unendlich scheinenden Dschungels ausmachen. Beeindruckt setzen wir uns auf die obersten Stufen des Tempels und warten auf die aufgehende Sonne. Hier oben werden wir Zeuge des erwachenden Dschungels: von Minute zu Minute weicht die Stille den immer intensiver werdenden Tierrufen. Wir können die Schreie von Brüllaffen ausmachen sowie die ersten Gesänge der Vögel. Nicht umsonst bedeutet der Name Tikal “Ort der Stimmen”.

Die Sonne braucht heute eine ganze Weile, bevor die Feuchtigkeit aus dem Grün aufgestiegen ist und den Blick auf das Blättermeer und die Spitzen der Tempel I und II freigibt. Die antike Stadt der Maya liegt heute inmitten der Regenwälder von Petén ganz im Norden von Guatemala. Die einzelnen Pyramiden und Tempelanlagen sind über Wege durch den Dschungel gut zu Fuss zu erreichen, restliche Gebiete hat man dem Dschungel überlassen. Auch wenn Tikal eine der am besten erforschten Maya-Stätte ist, sind bisher nur etwa 30% der Gebäude erforscht und verzeichnet.

Auf dem Weg zur mundo perdido, der verlorenen Welt, sehen wir Klammeraffen über uns durch die Bäume turnen. Die Blicke starr auf die Baumkronen gerichtet, stolpert unser Guide über eine Baumwurzel. Als er den Blick wieder auf den Boden richtet, findet er in der feuchten Erde mehrere Pfeil- oder Speerspitzen, die von den Maya aus Feuerstein hergestellt wurden. Und einige Meter weiter entdecken wir Überreste eines kleinen, rötlichen Tongefässes. Hier scheint es wirklich noch viel zu entdecken zu geben!

Kurz bevor wir das Zentrum Tikals, den Grossen Platz, erreichen, stossen wir auf eine Grossfamilie von Nasenbären. Einige der Weibchen, die in einer grossen Gruppe zusammen leben, haben Junge und wir könnten diese niedlichen Tierchen stundenlang beobachten…

Der Grosse Platz wird eingerahmt von den zwei Tempeln I (“grosser Jaguar”, 44m) und II (“Tempel der Masken”, 37m)in Ost-West sowie von der Nord- und der Zentralakropolis in Nord-Süd-Richtung. Hier endet nun auch unsere interessante Führung durch die Ruinen von Tikal. Tomek und ich erklimmen die Akropolis, um bei einem schönen Blick auf die Tempel unsere mitgebrachten Sandwiches zum späten Frühstück zu verspeisen.

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